Das "individuelle sexuelle Profil" als Game Changer in Beziehungen?
- peziherbst
- 14. Nov.
- 3 Min. Lesezeit
Hier erfährst du, was ein "individuelles sexuelles Profil" ist und warum dieses Wissen so hilfreich sein kann für ein spannendes Sex-Leben.

Ulrich Clement versteht unter dem „individuellen sexuellen Profil“ die einzigartige, unverwechselbare und zugleich wandelbare Ausprägung der sexuellen Identität und Sexualität eines Menschen.
Dieses Profil ist dein „sexueller Fingerabdruck“: Es beinhaltet deine biografischen Erfahrungen, Wünsche und Fantasien, Werte, Tabus, Vorlieben, Praktiken und deine sexuelle Orientierung. Es ändert sich bei fast jeder/m im Laufe des Lebens, denn es wird durch Erfahrungen, Reflexion und Austausch beeinflusst. Clement betont die Authentizität als zentrales Gut: Das bedeutet, sich in der Sexualität so zeigen zu können, wie man ist und dies auch innerhalb der Partnerschaft zu leben.
Konkret setzt sich das sexuelle Profil nach Ulrich Clement aus mehreren Komponenten zusammen, die zusammen ein einzigartiges, aber wandelbares Bild der individuellen Sexualität ergeben:
Sexuelle Biografie: Die eigenen (sexuellen) Erfahrungen, Prägungen und Lernprozesse, die das sexuelle Erleben und die Wünsche beeinflussen.
Vorlieben und Abneigungen: Persönliche Vorlieben sexueller Praktiken, sowie Empfindungen für bestimmte Fantasien und Reize.
Sexuelle Werte und Tabus: Individuelle moralische Einstellungen, gesellschaftliche und elterliche Prägungen und innere Grenzen setzen mitunter den Rahmen für das eigene Begehren.
Orientierung und Identität: Die sexuelle Orientierung (z.B. heterosexuell, bisexuell, homosexuell, asexuell) und die persönliche Identifikation mit geschlechtlichen oder sexuellen Rollen.
Kommunikationsbereitschaft: Bereitwilligkeit und Fähigkeit, das eigene Begehren, Wünsche und Grenzen mit dem Partner zu teilen, ohne Angst vor Zurückweisung oder Scham.
Somit ist das individuelle sexuelle Profil kein statisches Konstrukt, sondern entwickelt sich im Laufe des Lebens und wird von neuen Erfahrungen, Lebensphasen und Partnerschaften laufend beeinflusst. Veränderungen in Partnerschaft oder Identitätsentwicklung schaffen ständig neue Facetten im jeweiligen sexuellen Profil.
Clement stellt klar, dass im partnerschaftlichen Dialog oft nur Teile des individuellen Profils kommuniziert werden. Manche Fantasien, Wünsche oder Erfahrungen bleiben ungesagt, sodass die gemeinsam gelebte Sexualität immer nur einen Ausschnitt des jeweiligen Profils darstellt. Die Fähigkeit, das eigene Profil mutig und authentisch zu zeigen, ist für Clement zentral für eine lebendige, entwicklungsfähige Beziehung.
Warum können wir nur gewinnen, wenn wir unser individuelles sexuelles Profil kennen?
Allein das (Aus)arbeiten des individuellen sexuellen Profil kann Lust und Lebendigkeit in der Beziehung fördern. Paare lernen, dass sexuelle und emotionale Nähe bei hoher Individualität und Differenzierung möglich ist und gerade daraus Entwicklungspotenzial erwächst. Siehe hier zu auch den Blogpost Wie krieg ich das mit dem höheren Differenzierungsgrad hin? Ziel ist nicht die Anpassung an ein gemeinsames Profil, sondern die Bereicherung durch Verschiedenheit und gegenseitige Zumutung.
Nach Clement ist Sex in Beziehungen ein dynamischer Prozess, der im Spannungsfeld zwischen individuellen erotischen Profilen und partnerschaftlicher Sexualität steht. In seiner systemischen Sexualtherapie betont er, dass sexuelles Begehren nicht einfach eine feststehende Größe ist, sondern sich aus den Unterschieden und Wechselwirkungen zwischen den Partnern ergibt.
Sexuelle Wünsche und Nicht-Wünsche werden als Verhandlungssache verstanden, wobei das sexuelle Miteinander immer auf bewusste Entscheidungen und offenen Austausch angewiesen ist.
Clement legt den Fokus auf die erotische Entwicklung der Partner als Paar und nicht nur auf die sexuelle Funktion oder das Vorhandensein von sexuellem Verlangen. Er sieht Sexualität als Teil eines umfassenderen Beziehungsprozesses, bei dem die Balance zwischen Nähe und Autonomie, zwischen individuellen Bedürfnissen und partnerschaftlicher Verbindlichkeit gestaltet wird. Therapeutisch zielt er darauf ab, Paare aus alten Mustern und dem "kleinsten gemeinsamen sexuellen Nenner" herauszuführen und neue spielerische, bewusste Formen der erotischen Gemeinsamkeit zu ermöglichen.
Er betont die Veränderungsneutralität: Paare entscheiden selbst, ob und wie sie ihre Sexualität entwickeln wollen. Was zählt, ist der eigene Möglichkeitsraum und die bewusste Gestaltung der partnerschaftlichen Sexualität. Sex ist für Clement ein Ausdruck persönlicher und gemeinsamer Entwicklung und ein Mittel, um Ressourcen und Potentiale innerhalb der Beziehung zu erschließen.
Echte sexuelle Entwicklung ist laut Clement nur möglich, wenn Paare bereit sind, ihre Komfortzone zu verlassen, Risiken einzugehen und auch angsteinflößende Unterschiede zuzulassen.
Er unterscheidet verschiedene Formen von Sexualität in Partnerschaften:
Schlechter Sex, der durch Desinteresse und Normorientierung entindividualisiert,
mittelmäßiger Sex, der zufriedene Rücksichtnahme zeigt und
guter, potenter Sex, der die Gemeinsamkeiten und Differenzen des Begehrens ernst nimmt und das eigene sexuelle Begehren und das des Partners mutig zeigt und zulässt.
Somit ist erotisches Potenzial bei Clement eine integrative Größe, die individuelle Differenzierung, kommunikative Offenheit und das bewusste Einlassen auf die sexuelle Differenz zwischen Partnern umfasst. Diese Sicht ist ressourcenorientiert, denn sie geht davon aus, dass in jeder Partnerschaft ungenutzte erotische Möglichkeiten vorhanden sind, die therapeutisch freigelegt und aktiviert werden können.
Das Wichtigste ist aber wie immer die offene und ehrliche Kommunikation und der Wunsch die Beziehung weiterzuführen und das gemeinsame Sexualleben zu verbessern 🫶




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